Arbeiter haben die Schnauze voll Aufstand gegen Rente mit 70! Rente mit 70? Von dem Plan halten deutsche Arbeiter nichts
Foto: Marijan Murat/dpa

von: JOHANNES C. BOCKENHEIMER, JOSEF FORSTER UND MAXIMILIAN BOTH

veröffentlicht am 19.05.2022 - 08:06 Uhr

DIESER Experten-Vorstoß sorgt für Ärger: Um die Inflation zu bekämpfen, sollen die Deutschen später in Rente gehen!

Gewerkschaften und Sozialexperten laufen Sturm gegen den Vorschlag der drei Top-Ökonomen Prof. Bernd Raffelhüschen (Uni Freiburg), Prof. Stefan Kooths (IfW) und Prof. Gunther Schnabl (Uni Leipzig).

Gewerkschafts-Boss Hans-Jürgen Urban von der IG Metall (2,2 Mio. Arbeiter sind Mitglied) spricht von einer "abstrusen Forderung": Ein Großteil der Beschäftigten erreiche schon heute das Rentenalter nicht.

"Das Ausscheiden vor der Regelaltersgrenze bedeutet Abschläge bei der Rente. Eine weitere Anhebung der Altersgrenze verschärft dieses Problem und löst weder die Fachkräftefrage noch mildert es die Inflation."

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, hält den Vorstoß der Wirtschaftsexperten für eine "Unverschämtheit": Was für Professoren und Ökonomen einfach erscheine, sei für Menschen in körperlich und psychisch anstrengenden Berufen nicht leistbar. "Statt sie die Krisen-Zeche zahlen zu lassen, sollten besser Vermögende höher besteuert werden."

Kritik kommt auch von Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland. Er warnt: "Bei einem aktuellen durchschnittlichen Renteneintrittsalter von ca. 64 Jahren würde das nichts anderes als eine Rentenkürzung bedeuten."

Das sei "blanker Hohn für all die Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben".

Senioren-Union-Chef Otto Wulff glaubt nicht, dass die Anhebung des Rentenalters wegen der Teuerung überhaupt nötig wird. Denn: "Bis die Rente mit 70 eingeführt wird, kann sich die Inflationsrate auch längst wieder normalisiert haben", sagte er zu BILD.

Auch deutsche Arbeiter halten nichts von der Rente mit 70.

"Das schaffe ich nicht"

Krankenschwester Steffi Köster (53) Foto: Martin Brinckmann

Krankenschwester Steffi Köster (53) arbeitet seit 1990 auf der Intensivstation des Asklepios Klinikums in Hamburg-Harburg, seit einiger Zeit in Teilzeit. "Ich liebe meinen Job. Er ist aber körperlich sehr anstrengend und mein Rücken streikt jetzt schon manchmal. Außerdem betreue ich Patienten, die zum Teil wochenlang um ihr Leben kämpfen. Auch das geht nicht spurlos an mir vorbei. Bis 70 schaffe ich das nicht."

"Da ist man in meinem Job lädiert"

Dachdecker Frank Clemens (56)
Foto: Privat

Dachdecker Frank Clemens (56) aus Olpe (NRW): "Von einer generellen Rente mit 70 halte ich gar nichts. Wir Dachdecker haben einen harten Job und sind körperlich in diesem Alter meist so lädiert, dass das nicht mehr infrage kommt. Wer körperlich noch fit ist, für den halte ich das für eine gute Lösung - aber nur auf freiwilliger Basis!"

Das sagen die BILD-Leser

"Ich kann mich nur wiederholen: das jetzige Rentensystem ist am Ende. Ein komplett neues muss her. Keiner möchte bis 70 arbeiten und dann gleich in die Holzkiste." - Manfred Prehn, Bad Bramstedt (Schleswig-Holstein)

"Ich bin 62 und arbeite ununterbrochen seit 45 Jahren. Habe Arthrose, schweren Bandscheibenvorfall und eine neue Hüfte." - Thomas Kramer, Lörrach (Baden-Württemberg)

"Menschen, die in Rente sind, werden sowieso bei den Preisen verhungern. Damit ist diese Diskussion hinfällig und Politiker können mit ihren Familien im Hubschrauber Urlaubsreisen machen." - Jürgen Wesselovsky, Delbrück (NRW)

"Unsere Lebenszeit ist begrenzt, von daher sollte man nach 45 Arbeitsjahren seinen wohlverdienten Ruhestand genießen dürfen." - Uwe Naßhan, Frankenthal (Rheinland-Pfalz)

"Das hat weder etwas mit Inflation noch mit Fachkräftemangel zu tun. Ein Land, das Milliarden in alle Himmelsrichtungen verteilt, muss seine Bürger auspressen wie eine Zitrone. Von wem soll das Geld denn sonst kommen?" - Ulrich Huth, Herne (NRW)

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